Konfliktkultur

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Pure Utopie oder ehrgeiziges Ziel?

Bei vielen Firmen, für die ich tätig bin, erlebe ich im Umgang der Führungskräfte miteinander –vor allem aber „nach oben“- ein Klima von Vorsicht, Rücksicht (auf weiß Gott was alles), Harmoniesucht und Verantwortungsdiffusion. Typische Aussage, die ich in Seminaren, Trainings und workshops immer wieder höre: „Wenn ich dazu jetzt den Mund aufmache (beliebig: kritisiere, mich wehre, selbst entscheide, usw.) dann wird man sich das „weiter oben“ merken, und irgendwann bekomme ich das zurück (im Sinne von Unannehmlichkeiten, Repressalien, Nicht-Beförderung o.ä.).
Das heißt, eine Verhaltensweise, die man selbst als richtig, wichtig, am Herzen liegend betrachtet, wird nicht gelebt aus Angst vor den phantasierten, negativen Folgen. Dabei gehen diese Phantasien nicht mal bis zur Kündigung. Es reicht, wenn man befürchtet, daß die eigene Bequemlichkeit, die eigene Ruhe, die eigenen Pfründe gestört werden. Ich will diese Einstellung nicht verurteilen –Menschen haben zumeist verdammt gute Gründe für ihre Verhaltensweisen-, daß sie mir gegen den Strich geht, muß ich nicht betonen.

Natürlich wäre es idealtypisch, wenn alle Mitarbeiter bis hinauf in die OFK und Vorstandsbereiche den Mut, die Offenheit und Risikobereitschaft um ihrer selbst willen aufbringen würden. Mitarbeiter, die diese Werte quasi aus einem inneren Bedürfnis (intrinsische Motivation) heraus praktizieren würden, die Bücher von Sprenger nicht nur lesen, sondern auch leben und gar nicht auf den Gedanken kämen, für ihren Mut und ihre Offenheit auch noch belohnt zu werden. Dies halte ich aber für blauäugig. Wir haben auf unseren Führungsetagen nur sehr wenig Sprenger-Klone. Wir haben vielmehr Menschen, die sehr wohl in Kategorien von Belohnung-Bestrafung denken und demnach handeln. Alle Leistungsbeurteilungs- und Anreizsysteme dieser Welt funktionieren auf der Basis dieser Kategorien (das ist auch der Grund, warum ich sie ablehne, aber dazu weiter unten).
Für einen Wertewandel in Richtung Offenheit und Konfliktfähigkeit bedeutet dies: wir müssen die Systeme von Belohnung und Bestrafung umkehren. Wir müssen die Vorsichtigen, die Ängstlichen und die (für ihre Führungskräfte) Bequemen kritisieren, und die Mutigen, die (im positiven Sinne) Unbequemen fördern.
Das klingt einfacher als es ist. Es kollidiert nämlich mit der Erkenntnis (zumindest mit der sog. SUBJEKTIVEN WAHRHEIT), daß gerade in den oberen Führungsetagen Leute sitzen, denen es (auch für ihr eigenes Persönlichkeitsbild) wichtig ist GUT zu sein, RICHTIG zu handeln und IM RECHT zu sein („wenn ich nicht alles richtig gemacht hätte, wäre ich ja gar nicht so weit gekommen“). Flapsig gesprochen: je weiter oben wir uns befinden, desto weniger sind wir bereit, uns ans Bein pinkeln zu lassen. Und natürlich wissen das die unteren Chargen auch. Von daher grenzt es schon fast an einen Suizidversuch, zumindest aber an Selbstverstümmelung, wenn wir von einem Betriebsleiter erwarten, zu seinem BU-Leiter oder gar Vorstand zu gehen mit offener Kritik an dessen Verhaltensweisen oder Entscheidungen.

Um diese Situation zu verändern gibt es nur eine Chance: wir müssen Kritik FORDERN und FÖRDERN, und zwar JEDE Kritik (ich meine hier nicht das Gequengel und Gemaule irgendwelcher Figuren aus dem Jammertal, sondern jede Kritik, die auf Verhalten oder Entscheidungen abzielt, negative Folgen benennen kann und Vorschläge oder Wünsche zur Veränderung beinhaltet).
Den Satz „Ich bin offen für jede Art von BERECHTIGTER Kritik“ kann ich nicht mehr hören. Hinz und Kunz behaupten das von sich. Der Begriff der berechtigten Kritik muß aus unserem Sprachschatz verschwinden. Denn es bedeutet in aller Regel: „Stimmt, ist mir auch schon aufgefallen, leuchtet mir ein.“ (und wir können unser eigenes Bild vom Gutmenschen weiter aufrecht erhalten). Diese Art von Kritik ist so überflüssig wie ein Kropf, denn sie bestätigt uns nur, wir lernen nichts Neues. Wirklich weiterbringen kann uns nur die ÜBERRASCHENDE, die NEUE, die UNANGENEHME Kritik, mit der wir nicht gerechnet haben. Und gerade für DIE sollten wir dankbar sein.

Zu beobachten ist auch eine sinkende Bereitschaft von Verantwortlichen Verantwortung zu übernehmen. „I CAN DO THAT“ hört man immer seltener. Und der Grund dafür ist nicht Faulheit sondern Feigheit, Angst vor dem Versagen bzw. dem Nicht-Erreichen des (meist VORGEGEBENEN und nicht VEREINBARTEN) Zieles.
Darum werden in den meisten Zielvereinbarungen auch nur Ziele aufgenommen, die man praktisch sicher erreichen kann. Wer läßt sich schon Ziele aufs Auge drücken, deren Nicht-Erreichen zumindest im Bereich des Möglichen ist? Zumindest dann nicht, wenn die Ziel-Erreichung mit finanziellen Zulagen verbunden ist (die für den Kauf des neuen Daimler schon fest eingeplant sind).
Fast jeder kennt den Satz: „Lösungen suchen statt Schuldige“. Wie sieht aber die Wirklichkeit aus? In unzähligen Projektgesprächen, Statusberichten oder Leistungsbeurteilungen werden Fehler an den Pranger gestellt, Verursacher zur Rede gestellt und mögliche Lernchancen daraus beiseite gestellt. Die Möglichkeit, aus den eigenen Fehlern zu lernen, oder –noch besser- von den Fehlern der Kollegen zu lernen, ist äußerst gering. Wir brauchen aber die Bereitschaft ALLER, die eigenen Fehler zu kommunizieren, sie publik zu machen, auch wenn es weh tut. Nur so können auch andere davon profitieren und Kosten vermeiden, indem sie genau diesen Fehler NICHT machen.

Ich hatte mal einer großen Firma vorgeschlagen, die gemachten Fehler von den Verursachern im Intranet zu veröffentlichen. Gemessen wurden dann die Klicks der anderen Mitarbeiter auf diese Fehler-site. Und mit einem richtig fetten Incentive haben wir den am häufigsten abgerufenen Fehler prämiert, die Zitrone des Monats, den SPANNENDSTEN oder HILFREICHSTEN Fehler.
Folge: die Bereitschaft, eigene Fehler zu veröffentlichen stieg drastisch an und die interne Kommunikation zwischen den Projekten wurde sehr viel intensiver. Leider wurde diese Maßnahme nach einiger Zeit von oben gestoppt, weil Befürchtungen (schon wieder!) laut wurden „... wenn unsere Kunden mal auf diese sites kommen ...“. Na und? Ich hätte als Kunde kein Problem damit, ganz im Gegenteil.

Zum Thema Leistungsprämien bin ich es eigentlich leid, etwas dazu zu sagen. Ich hab es zu oft getan. Nur zwei Worte: ERSATZLOS STREICHEN! Nahezu alle sozialwissenschaftlichen Untersuchungen belegen, daß Belohnungsysteme jeder Art die gewünschte intrinsische Motivation zerstören. Menschen tun dann etwas, nicht weil sie es WIRKLICH wollen, sondern um die Belohnung zu ergattern. Gleichzeitig geben wir mit der Belohnung zu verstehen: nicht die AUFGABE ist es, für die es sich lohnt, daß Du Dich anstrengst, aber die PRÄMIE (ich gebe zu, das ist original Sprenger, aber es stimmt einfach!).
Eine persönliche Angabe (im Sinne von Angeben) kann ich mir dazu nicht verkneifen: Meine Tochter bekam von mir von der Grundschule an Geld fürs Zeugnis. Und zwar 1 DM für eine Eins, 2 DM für eine Zwei, 3 DM für eine Drei, usw. Sie hat ihr Abi mit 1,0 gemacht. Das muß als Beweis reichen. Wir brauchen Mitarbeiter, für die der JOB und die TÄTIGKEIT der Anreiz sind und nicht prämienabhängige Rabattmarkensammler.

Wie erreichen wir die gewünschte Offenheit und Konfliktbereitschaft vor allem „nach oben“? Auf jeden Fall NICHT mit Mitarbeitern, die in einem persönlichen Gespräch bekennen: „Was anderes finde ich in meinem Job/Landkreis/Alter/etc nicht“. Es macht sie nämlich automatisch zu Ja-Sagern und angepassten Mitläufern. Dankbarkeit gegenüber der Firma für den Job ist also kontraproduktiv („die Firma ist so nett zu mir und sichert mir meinen Arbeitsplatz, also kann ich doch nicht aufbegehren und kritisieren“).
Wir brauchen stattdessen Mitarbeiter, die sich quasi jeden Tag BEWUSST und aktiv für genau diesen Job in dieser Firma entscheiden. Und das ist nur möglich, wenn sie auch Alternativen hätten. Der für mich ideale Mitarbeiter käme jeden morgen zu mir ins Büro, würde mir wieder mal von einem neuen, attraktiven Angebot einer anderen Firma berichten und gleichzeitig erklären, warum er HIER, genau DIESEN Job vorzieht. Dann wäre ich mir sowohl seines Engagements, seines Commitments als auch seines Mutes und seiner Offenheit sicher.

Sieben Tips für WIRKLICHE Unternehmer im Unternehmen:
1. Unternimm alles, um Dein Projekt erfolgreich fortzuführen -egal, was in der Stellenbeschreibung steht.
2. Umgehe alle Anweisungen, die Dich daran hindern, Deine Ziele zu verwirklichen.
3. Suche Dir Mitarbeiter, die Dich loyal dabei unterstützen und arbeite nur mit den Besten.
4. Bleibe Deinen Zielen treu, und bleibe realistisch im Hinblick auf die Wege, wie Du sie erreichen kannst.
5. Setze nie auf ein Rennen, an dem Du nicht beteiligt bist.
6. Denke immer daran: Es ist einfacher um Verzeihung zu bitten, als um Erlaubnis.
7. Komme täglich zur Arbeit mit der Bereitschaft, Dich feuern zu lassen.

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update: 21. Februar 2012